Pancatantra

Pancatantra
Pancatạntra
 
[pantʃa-; Sanskrit »Lehre in fünf Büchern«] das, -, eine dem Pandit Vishnusharman zugeschriebene altindische Sammlung von Fabeln, Erzählungen und Sprüchen, die die wichtigsten Regeln der Staatskunst und der Weltklugheit enthalten. Ursprünglich diente das Pancatantra zur Belehrung von Prinzen, durch spätere Umarbeitungen wurde es zu einem allgemeinen Erziehungsbuch. Über 200 Versionen des Pancatantra in mehr als 50 Sprachen sind bekannt. Der wahrscheinlich in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten entstandene Grundtext ist verloren. Die älteste erhaltene Fassung ist das in einer älteren und einer jüngeren kaschmirischen Rezension überlieferte Tantrakhyayika, das wahrscheinlich zwischen 300 und 500 n. Chr. entstanden ist. Jedes der fünf Bücher besteht aus einer Rahmenerzählung, die eine Hauptlehre der Staatskunst oder der Weltklugheit einprägen soll. Im ersten Buch wird geschildert, wie Freunde entzweit werden; im zweiten, wie Schwache, vereint, Starken widerstehen können; im dritten finden sich Lehren über Krieg und Frieden; im vierten wird vor dem Verlust des Erworbenen durch Torheit gewarnt und im fünften vor den Folgen von unbedachtem Handeln. Es herrscht im Allgemeinen eine zum Vishnuismus tendierende brahmanische Lebensanschauung vor. Prosa wie Lyrik gehören über weite Strecken zum Geistvollsten, was die frühe indische säkulare Literatur hervorgebracht hat.
 
Aus dem alten Werk entstand zwischen dem 9. und 11. Jahrhundert eine grundsätzliche Neubearbeitung, der »Textus simplicior« (»einfacherer Text«), den der Jainamönch Purnabhadra zum »Textus ornatior« (»ausgeschmückterer Text«) umarbeitete (1199). Diese beiden Fassungen sind in Indien am volkstümlichsten geworden. Zu den zahlreichen daraus hervorgegangenen Neubearbeitungen zählt der nach dem 9. Jahrhundert entstandene »Hitopadesha« (»freundliche Belehrung«) des Narayana, der mehr als andere die politischen Lehren in den Vordergrund stellt. - Schon im 6. Jahrhundert entstand eine Übersetzung ins Pehlewi, die u. a. in altsyrischen und arabischen Fassungen (Kalila und Dimna) weiterwirkte. 1483 wurde von Antonius von Pforr die erste deutsche Übersetzung nach einer lateinischen Version erstellt. Die französische Übersetzung einer neupersischen Version »Anwar-e Sohailī« von D. Sahid erschien im 17. Jahrhundert. In englischen, deutschen, schwedischen u. a. Übersetzungen verbreiteten sich die »Fabeln des Bidpai/Pilpay« im Europa der Aufklärung und beeinflussten u. a. J. G. Herder, Goethe und A. M. Remisow.
 
Ausgaben: Tantrākhyāyika, die älteste Fassung des Pañcatantra, übersetzt von J. Hertel (1909, Nachdruck 1970); Pantschatantra. Das Fabelbuch des Pandit Wischnu Scharma, übersetzt von G. L. Chandirami (31975); Pañcatantra. Die 5 Bücher indischer Lebensweisheit, herausgegeben von A. Greither (1986).
 
Textus simplicior: Panchatantra, herausgegeben von F. Kielhorn u. a., 3 Bände (4-61891-96).
 
Textus ornatior: The Panchatantra, herausgegeben von J. Hertel u. a. (1908); The Panchatantra-text of Purnabhadra. .., herausgegeben von demselben u. a. (1912); The Panchatantra, a collection of ancient Hindu tales. .., herausgegeben von demselben u. a. (1915).
 
 
J. Hertel: Das Pañcatantra. Seine Gesch. u. seine Verbreitung (1914);
 W. Ruben: Das Pañcatantra u. seine Morallehre (Berlin-Ost 1959);
 L. Sternbach: The Hitopadeśa and its sources (New Haven, Conn., 1960);
 R. Geib: Zur Frage nach der Urfassung des Pañcatantra (1969);
 H. Falk: Quellen des Pañcatantra (1978).

Universal-Lexikon. 2012.

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